Künstliche Befruchtung über 40
- 12 Minuten
- 24.06.2025
Unter dem Begriff "künstliche Befruchtung" werden verschiedene medizinische Verfahren zusammengefasst, die eine Befruchtung der Eizelle innerhalb oder außerhalb des weiblichen Körpers unterstützen. Auch bekannt unter dem Begriff „assistierte Reproduktion“. Zu den am häufigsten eingesetzten Verfahren gehören die In-vitro-Fertilisation (IVF) und die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Hierbei werden Eizellen und Spermien im Labor zusammengeführt. Nach einer erfolgreichen Befruchtung werden in der Regel ein bis maximal zwei Embryonen in die Gebärmutter transferiert.
Mit zunehmendem Lebensalter sinkt die Fruchtbarkeit einer Frau. Hauptursache dafür ist, dass der Anteil von Eizellen zunimmt, die Defekte ihres Erbmaterials aufweisen. Bei einer 40-jährigen Frau sind das durchschnittlich ca. 60 % der heranreifenden Eizellen. Der Anteil dieser Zellen nimmt in den folgenden Lebensjahren weiter deutlich zu. Außerdem sinkt die Fruchtbarkeit mit dem Alter aufgrund der abnehmenden Eierstockreserve, also der Anzahl von Eizellen in den Eierstöcken.
Während die Chance, innerhalb eines Jahres schwanger zu werden, bei Frauen unter 30 Jahren noch bei etwa 85 % liegt, beträgt sie mit 40 Jahren nur noch 44 %.1 Darüber hinaus steigt mit zunehmendem Alter das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen wie Fehlgeburten, Frühgeburten oder Bluthochdruck.2
Es gibt verschiedene Verfahren der assistierten Reproduktion. Allerdings sind nicht alle gleichermaßen für Frauen mit spätem Kinderwunsch geeignet. Wir erläutern, welche Maßnahmen erfolgversprechend sind und welche weniger.
Die Intrauterine Insemination (IUI) ist ein Verfahren, das die natürliche Befruchtung unterstützt. Hierbei wird aufbereitetes Sperma zum Zeitpunkt des Eisprungs mithilfe eines dünnen Schlauchs (Katheter) direkt in die Gebärmutterhöhle eingebracht. Die Eizelle wird auf natürliche Weise im Körper der Frau befruchtet. Bei Frauen über 40 Jahren ist die Erfolgswahrscheinlichkeit allerdings deutlich geringer als bei jüngeren Frauen.
Bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) werden der Frau nach einer hormonellen Stimulation mehrere befruchtungsfähige Eizellen entnommen (Follikelpunktion). Die Befruchtung einer einzelnen Eizelle erfolgt später im Labor mit aufbereiteten Spermien, die zuvor durch Masturbation gewonnen wurden. Alternativ können Spermien aus eingefrorenem Spermienvorrat verwendet werden. Bei erfolgreicher Befruchtung wird der Embryo nach zwei bis fünf Tagen in die Gebärmutter übertragen (Embryotransfer).
Der Ablauf einer Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) ist der gleiche wie bei einer IVF. Der einzige Unterschied ist, dass im Labor eine einzelne Samenzelle mithilfe einer feinen Nadel direkt in die Eizelle eingeführt wird, um die Befruchtung zu ermöglichen.
Mit zunehmendem Alter sinkt nicht nur die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, sondern auch die Chance auf eine erfolgreiche Schwangerschaft nach einer künstlichen Befruchtung.
Je höher das Alter der Frau zum Zeitpunkt der Behandlung ist, desto geringer sind die Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung. Das hängt vor allem mit der abnehmenden Qualität der Eizellen zusammen.
Die Dauer des bisher unerfüllten Kinderwunsches kann ebenfalls eine Rolle spielen: Je länger Paare bereits versuchen, schwanger zu werden, desto wahrscheinlicher ist das Vorliegen zusätzlicher Ursachen, etwa hormonelle Störungen, Eileiterprobleme oder eine eingeschränkte Spermienqualität. Diese möglichen Hindernisse müssen (wie auch bei jüngeren Patientinnen und Patienten) im Vorfeld durch eine individuelle Diagnostik abgeklärt werden.
Die Zahlen des Deutschen IVF-Registers (DIR) machen deutlich, dass Frauen, die das 40. Lebensjahr bereits erreicht haben, keine Zeit verlieren sollten, wenn sie sich den Wunsch nach einem eigenen Kind noch erfüllen möchten, denn die Schwangerschaftsraten pro Embryotransfer und die Geburtenraten sinken in diesem Alter drastisch:3
Wichtiger als die Statistik ist allerdings die individuelle Befundlage. Deshalb sollten sich Frauen in einem spezialisierten Kinderwunschzentrum beraten lassen.
Mit jedem weiteren Lebensjahr über 40 sinken die Erfolgsaussichten einer künstlichen Befruchtung weiter. Die Daten des Deutschen IVF-Registers zeigen, dass die Schwangerschaftsrate bei Frauen ab 45 Jahren lediglich bei 2,9 % liegt und die Geburtenraten noch weit darunter.4 Eine Behandlung von Frauen dieser Altersgruppe ist daher eine Einzelfallentscheidung, zumal sich neben der stark reduzierten Chance auf eine Lebendgeburt auch das Risiko für Fehlgeburten, genetische Auffälligkeiten und schwangerschaftsbedingte Komplikationen erhöht.
Der Weg zur Schwangerschaft beginnt meist mit vielen Fragen. Wir geben Einblick in den typischen Ablauf einer Kinderwunschbehandlung. Im Fokus stehen die Verfahren IVF und ICSI, die für Frauen ab 40 die besten Erfolgsaussichten bieten.
Die Behandlung beginnt mit einem ausführlichen Arztgespräch (Anamnese). Dabei werden medizinische Vorgeschichte, Lebensstil und mögliche Vorerkrankungen erfragt. Ziel ist es, die Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit zu identifizieren, die Chancen für eine erfolgreiche Schwangerschaft zu ermitteln und einen individuellen Behandlungsplan aufzustellen. Folgende Untersuchungen können durchgeführt werden. Über den sinnvollen Umfang dieser Untersuchungen wird immer individuell entschieden.
Besteht eine realistische Chance auf eine erfolgreiche Schwangerschaft, wird ein individueller Therapieplan auf Basis der Befunde erstellt. Er umfasst alle Behandlungsschritte des jeweiligen Verfahrens (IVF oder ICSI) – von der hormonellen Stimulation über die Eizellentnahme bis zum Embryotransfer – abgestimmt auf den individuellen Zyklus. In der Regel erhalten die Patientinnen und Patienten auch Tipps, wie sie durch eine angepasste Lebensführung ihre Gesundheit verbessern und den Erfolg der Behandlung unterstützen können.
Zunächst erfolgt eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke, um mehrere Eizellen zur Reifung zu bringen. Sind die Follikel ausreichend entwickelt, werden sie im Rahmen einer ambulanten Follikelpunktion unter Kurznarkose über die Scheide unter Ultraschallkontrolle entnommen.
Die gewonnenen Eizellen werden im Labor mit zuvor gewonnenen und aufbereiteten Spermien zusammengebracht, entweder per IVF oder ICSI. Je nach individueller Befundlage können auch sogenannte Add-ons eingesetzt werden, um die Befruchtungswahrscheinlichkeit zu erhöhen, z. B. Calcium Ionophor.
Der sich nach einer erfolgreichen Befruchtung entwickelnde Embryo bzw. in der Regel maximal zwei Embryonen werden nach 2 bis 5 Tagen in die Gebärmutter zurückübertragen (Embryotransfer). Auch hier können gegebenenfalls Add-ons wie EmbryoGlue® eingesetzt werden, um die Chancen einer Einnistung des Embryos in die Gebärmutter zu verbessern.
Nach dem Embryotransfer beginnt eine rund zweiwöchige Wartezeit. In dieser Phase kann man leider nur abwarten und hat keinen Einfluss auf das Therapieergebnis. Ein Blut- oder Urintest zeigt danach, ob die Behandlung erfolgreich war oder – wenn gewünscht und medizinisch sinnvoll – ein weiterer Versuch erforderlich ist.
Erste Anlaufstelle für Frauen, die mit 40 Jahren zum ersten Mal Mutter werden möchten, kann der eigene Frauenarzt oder die eigene Frauenärztin sein. Dort können Voruntersuchungen durchgeführt und erste Fragen geklärt werden. Für eine spezialisierte Diagnostik und eine zeitnahe Behandlung sollten sich Frauen direkt an ein Kinderwunschzentrum wenden. Dort arbeiten Expertinnen und Experten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin sowie weitere Spezialistinnen und Spezialisten. Spezialisierte Kinderwunschzentren finden Sie hier.
Kinderwunschbehandlungen wie die IVF oder die ICSI werden nicht in einer normalen Frauenarztpraxis, sondern nur in spezialisierten Kinderwunschzentren durchgeführt. Hier arbeiten Expertinnen und Experten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Spezialistinnen und Spezialisten für Andrologie sowie Humangenetik interdisziplinär zusammen, um erfolgversprechende Behandlungsoptionen zu ermitteln. Einfluss auf den Erfolg einer künstlichen Befruchtung hat überdies die Erfahrung des IVF-Labors.
Wer eine künstliche Befruchtung in Betracht zieht, sollte bei der Wahl der Kinderwunschklinik genau hinschauen und auf folgende Aspekte achten:
Einige Paare überlegen, die Behandlung im Ausland durchführen zu lassen, beispielsweise, weil Embryonen dort unbeschränkt auf ihr Erbmaterial untersucht werden dürfen, Eizellspenden erlaubt sind oder ggf. geringere Kosten entstehen. Solche Angebote klingen auf den ersten Blick attraktiv, bergen aber in der Regel zusätzliche Herausforderungen:
Aus medizinischer Sicht gilt eine erste Schwangerschaft bereits ab dem 35. Lebensjahr als Risikoschwangerschaft. Das Vorhandensein von Myomen, die in dieser Altersgruppe häufiger auftreten, kann Probleme in der Schwangerschaft verursachen. Überdies steigt das Risiko für Chromosomenanomalien beim Kind sowie das Risiko von Fehlgeburten und Frühgeburten. Auch Schwangerschaftsdiabetes und Bluthochdruck kommen bei älteren Schwangeren häufiger vor. Deshalb sind eine zielgerichtete Diagnostik und eine erfahrene Begleitung der Schwangerschaft wichtig.
In der Regel werden die Kosten für eine künstliche Befruchtung für Paare (anteilig) von der Krankenkasse übernommen. Dies gilt jedoch nur bis zum 40. Lebensjahr der Frau. Danach müssen die Betroffenen für die Kosten meist in voller Höhe allein aufkommen. Nur einzelne gesetzliche Krankenkassen unterstützen Frauen mit Kinderwunsch darüber hinaus (anteilig). Private Krankenkassen behalten sich in der Altersgruppe > 40 Jahre individuelle Entscheidungen über Kostenübernahmen vor.
Nutzt die offenen amedes Info-Abende, um euch über Behandlungsoptionen bei unerfülltem Kinderwunsch zu informieren, Unsicherheiten abzulegen und Klarheit zu gewinnen, welche Wege ihr gehen könnt. Bitte beachtet, dass sich unsere Info-Abende sowohl an heterosexuelle als auch gleichgeschlechtliche Paare und alleinstehende Frauen richten. Die Expertinnen und Experten von amedes heißen euch herzlich willkommen und freuen sich auf eure Fragen.
1 Delbaere I, Verbiest S, Tydén T. Knowledge about the impact of age on fertility: a brief review. Ups J Med Sci. 2020 May;125(2):167-174. doi: 10.1080/03009734.2019.1707913. Epub 2020 Jan 22. PMID: 31964217; PMCID: PMC7721003, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7721003/ (Datum des Zugriffs: 26.03.2025)
2 Bouzaglou A, Aubenas I, Abbou H, Rouanet S, Carbonnel M, Pirtea P, Ayoubi JMB. Pregnancy at 40 years Old and Above: Obstetrical, Fetal, and Neonatal Outcomes. Is Age an Independent Risk Factor for Those Complications? Front Med (Lausanne). 2020 May 27;7:208. doi: 10.3389/fmed.2020.00208. PMID: 32537454; PMCID: PMC7266997, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7266997 (Datum des Zugriffs: 26.03.2025)
3 Deutsches IVF-Register (D.I.R)® "D.I.R Jahrbuch 2023 – Auszug", 11/2024 Ausgabe 4, S. 6, https://www.deutsches-ivf-register.de/perch/resources/dir-jahrbuch-2023-sonderausgabe-fuer-paare.pdf (Datum des Zugriffs: 26.03.2025)