Verzögerte Diagnostik der Endometriose
Es ist lange bekannt, dass die Erstdiagnose einer Endometriose trotz typischer Symptome oft erst nach vielen Jahren erfolgt. Unklar ist, ob der Grad der Erkrankung das Intervall bis zur Erstdiagnose beeinflusst. Wünschenswert wäre eine Korrelation (je schwerer die Erkrankung, desto früher die Diagnose, um früher therapeutisch wirken zu können).
Eine aktuelle retrospektive Beobachtungsstudie beschäftigte sich auf der Basis von ausgewerteten Fragebögen (über einen Zeitraum von 3 Jahren) mit diesem Thema: Unterscheiden sich die Symptome und die diagnostische Verzögerung bei einer „fortgeschrittenen“ Endometriose (definiert als Befall von Vagina, Darm, rectovaginalem Septum oder Harnblase) (n=75) von einem Kollektiv aus Endometriose-Patientinnen ohne diese Lokalisationen (n=54) (Madsen et al. Patients with endometriosis in the vagina, bowel, or bladder experience a prolonged diagnostic delay: an observational study. Hum. Reprod. 2025; Online ahead of print)?
Das mediane diagnostische Intervall des Gesamtkollektivs lag bei 5 Jahren. Erstaunlicherweise war es mit 9 Jahren bei der fortgeschrittenen Endometriose signifikant länger als in der Kontrollgruppe mit 2 Jahren (P = 0,005). Die Wahrscheinlichkeit einer fortgeschrittenen Endometriose stieg auf das 5fache (95% CI 2,18-11,61, P < 0,001), wenn das diagnostische Intervall > 5 Jahre betrug und je früher erste Symptome berichtet wurden.
Patientinnen mit einer fortgeschrittenen Endometriose nahmen signifikant länger Hormone und Analgetika ein, um Beschwerden und Blutungsstörungen zu regulieren. In beiden Gruppen wurden vergleichbar oft alternative Erklärungen für die Symptome bemüht (z.B. Appendizitis, Blaseninfektion, Gallenblasen- oder Nierensteine). Auch die Subgruppe mit einem Darmbefall unterschied sich diesbezüglich nicht von allen anderen Patientinnen.
Natürlich handelt es sich um eine retrospektive Untersuchung mit den üblichen Fehlerquellen einer Fragebogenerhebung. Ob eine fortgeschrittene Endometriose also wirklich immer signifikant später diagnostiziert wird, bedarf sicher weiterer Untersuchungen. Zumindest nach einer Adjustierung nach der Dauer von Hormoneinnahmen und dem Alter bei der Operation blieb der Unterschied bestehen.
Fakt ist aber, dass – trotz typischer Symptome – bei allen Patientinnen ein zu langes Intervall vorlag, dessen Verkürzung mit zunehmendem Schweregrad einer Endometriose hinsichtlich der späteren therapeutischen Optionen und ihrer Erfolgsaussichten an Bedeutung gewinnen könnte.
In dieser Studie zeigte sich bei Patientinnen mit einer fortgeschrittenen Endometriose trotz einer früheren Symptomatik und stärkeren Dysmenorrhoe eine signifikante längere diagnostische Verzögerung im Vergleich zu Endometriose-Patientinnen ohne die o.g. Lokalisationen. Zielaller Beteiligten muss die frühere Diagnose der Endometriose nicht nur beim unerfüllten Kinderwunsch sein.
Prof. Dr. med. Frank Nawroth